Heute bangen bis zu 2.500 Anleger um ihr Geld. Konten sind eingefroren, in der Schweiz steht die Piccor AG auf der schwarzen Liste der Finanzaufsicht Finma. In Berlin ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 15 Beschuldigte wegen des Verdachts auf bandenmäßigen Betrug. Sie hat herausgefunden: 337 Millionen Euro hat die Piccor AG insgesamt von Anlegern eingesammelt. 200 Millionen davon entfallen auf die Zeit nach der Warnung der Bafin vor der Piccor AG.
Es ist ein Fall, in dem die Behörde eine Menge Fragen beantworten muss. Viele Firmen, die auf dem grauen Kapitalmarkt sagenhafte Gewinne versprechen, sind dubios. Die Piccor AG warb in Broschüren damit, sie sei der „Schweizer Maßstab im Vermögensmanagement“ und könne per „Systemhandel“ mit Dax-Derivaten Jahresrenditen von bis zu 20 Prozent einspielen.
Warum wartete die Bafin bei Piccor bis zum Kollaps? Die Behörde verweist auf ein Urteil des Kammergerichts Berlin von Juni 2014. Demnach sei die Vermittlung von Finanzportfolioverwaltungsverträgen „keine erlaubnispflichtige Anlagevermittlung“. Der Europäische Gerichtshof habe diese Einschätzung 2017 ausdrücklich bestätigt, und die Bafin habe daraufhin ihre Verwaltungspraxis geändert.
Anders gesagt: Erst wartete die Bafin ein höchstrichterliches Urteil ab, dann fehlte ihr die Handhabe. Und überhaupt: Die Piccor AG habe als Auslandsfirma zu keiner Zeit unter Aufsicht der Bafin gestanden, heißt es. Im Juli 2016 veröffentlichte die „Welt am Sonntag“ einen Artikel zu der Affäre.
Zwei Jahre nach dem ersten Verdacht bewegte sich die Behörde dann aber doch – wenn auch nur hinter den Kulissen. Laut internem Vermerk prüfte die Bafin im Register der schweizerischen Finanzaufsicht Finma, ob für Piccor AG und die SFG eine Bewilligung vorlag. Das Ergebnis war negativ.
Ende November 2016 wandte sich die Behörde direkt an die beiden Firmen in der Schweiz. Betreff: „Möglicherweise unerlaubt betriebene Geschäfte“. Die Antwort kam anderthalb Monate später: Eine Frankfurter Anwaltskanzlei bat um mehr Zeit. Ende Februar 2017 meldeten sich die Juristen im Namen der SFG.
Die Firma sei im Beteiligungsgeschäft tätig. Vermögensverwaltung für deutsche Kunden betreibe sie nicht. Zwei weitere Gesellschaften aus dem komplizierten Picam-Geflecht stellten die Anwälte vor, aber auch diese seien keine Vermögensverwalter. Das stimmte zwar alles. Nur der Name der Piccor AG, die mit den deutschen Anlegern die Verträge schloss, fiel nicht mehr. Die Bafin wartete weiter.
Fast zeitgleich versetzte die schweizerische Finanzaufsicht Finma der Piccor AG einen Schlag. Sie stellte Anfang 2017 einen Warnhinweis auf ihre Webseite. Dafür kann es zwei Gründe geben: wenn die Bewilligung fehlt oder wenn eine „erhebliche Gefährdung von Anlegern durch Anbieter“ zu vermuten ist.
Nun brannte es hinter den Kulissen der Piccor AG lichterloh. Quartalsabrechnungen für Anleger blieben aus. Im Februar und April referierte Thomas E. vor Finanzvermittlern im Steigenberger Hotel in Berlin über unerwartete Probleme, neue Strukturen – und davon, dass ein neues Wertpapier aufgelegt werde, diesmal in Luxemburg. Hektisch versuchten E. und seine Partner, das neue Zertifikat Piccox an Anleger zu vermitteln. Sie sammelten damit weitere 21 Millionen Euro ein.
Im September 2017 erstattete das Bankhaus von der Heydt Strafanzeige gegen Thomas E., weil ihm Unregelmäßigkeiten bei Fonds und Darlehen aufgefallen waren. Ein Ex-Manager der Bank sei verwickelt. Der Begriff „Schneeballsystem“ fiel. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, die Anleger ahnten noch immer nichts.
DAKS e.V.
Comments are closed.