Allgemein: §§ 194 – 218 BGB
Als regelmäßige Verjährungsfrist wird die Verjährungsfrist bezeichnet, nach der alle Ansprüche verjähren, die keiner besonderen Verjährungsfrist unterliegen. Sie beträgt gemäß § 199 BGB drei Jahre.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem
- der Anspruch fällig ist
und
- der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erhält oder ohne grobe Fahrlässigkeit erhalten müsste:
- Ausreichend für den Beginn der Verjährung ist die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen. Hingegen ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH 23.09.2008 – XI ZR 262/07).
Nach dem Urteil BGH 07.12.2010 – XI ZR 348/09 kann jedoch die Rechtsunkenntnis des Gläubigers ausnahmsweise den Verjährungsbeginn hinausschieben, „wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn“.
Dazu besteht u.a. folgende Rechtsprechung:
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- Die subjektiven Voraussetzungen des § 199 BGB müssen bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz nicht hinsichtlich des gesamten Schadensbildes vorliegen. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist der Eintritt der ersten Schadensfolge. Treten später weitere Folgen hinzu, beginnt die Verjährung nicht von Neuem (OLG Koblenz 24.02.2015 – 5 U 1320/14).
- Für Rückforderungsansprüche über Zuwendungen von Schwiegereltern liegt die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis der Schwiegereltern vom Scheitern der Ehe ihres Kindes jedenfalls dann vor, wenn sie von der Zustellung des Scheidungsantrags Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen (BGH 16.12.2015 – XII ZB 516/14).
- Der Schuldner hat grob fahrlässig nicht von den Tatsachen Kenntnis erhalten, wenn er die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt hat, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und dasjenige unbeachtet ließ, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
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Der BGH hat mit dem Urteil BGH 11.10.2012 – VII ZR 10/11 die Anforderungen an das Unterlassen einer Ermittlung konkretisiert. In dem zu entscheidenden Fall hatte die Auftraggeberin bei Prüfung der Stundenabrechnungen nicht erkannt, dass das Zeithonorar die Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure überschritten hatte:
„Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen (…). Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, sodass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind.“
- Hinweis:
- Mit der Kenntnis des Schuldners bzw. dem Ende des Jahres, in dem der Schuldner die Kenntnis erhält, beginnt die Verjährung nur dann zu laufen, wenn es sich um einen Anspruch handelt, der der regelmäßigen Verjährung unterliegt. Ist die Verjährung spezialgesetzlich geregelt und beträgt sie zufällig auch drei Jahre, so beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs, d.h. in den meisten Fällen mit der Fälligkeit.
- Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt. Verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt (BGH 12.05.2009 – VI ZR 294/08).
- Die Kenntnis der Leistungsabteilung ist für den Beginn der Verjährungsfrist unerheblich (BGH 20.10.2011 – III ZR 252/10).
- Bei einem Gläubigerwechsel kommt es nach allgemeiner Auffassung für Beginn und Lauf der Verjährung im Falle des Gläubigerwechsels – gleich aus welchem Rechtsgrund – zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält. Nur wenn der Kenntnisstand des Rechtsvorgängers nicht geeignet war, die Verjährung in Lauf zu setzen, ist auf den Rechtsnachfolger abzustellen (BGH 30.04.2014 – IV ZR 30/13).
Jedoch kann in einer gesetzlichen Spezialregelung ein anderer Verjährungsbeginn geregelt sein.
Der Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auf Beseitigung eines konkreten, während der Mietzeit auftretenden Mangels verjährt nicht während des laufenden Mietverhältnisses (BGH 17.02.2010 – VIII ZR 104/09).
Höchstgrenzen
Zur Vermeidung eines grenzenlosen Aufschubs des Verjährungsbeginns ist die Verjährung bestimmter Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen, durch eine gesetzlich geregelte Höchstgrenze befristet:
- Gemäß § 199 Abs. 2 BGB verjähren Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, spätestens in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen den Schaden auslösenden Ereignis an.
Erfasst sind Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung oder der Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis.
- Sonstige Schadensersatzansprüche (z.B. aufgrund einer Eigentumsverletzung) verjähren gemäß § 199 Abs. 3 BGB ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis
- in zehn Jahren von ihrer Entstehung an bzw.
- ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
- Andere Ansprüche als Schadensersatzansprüche verjähren gemäß § 199 Abs. 4 BGB spätestens in 10 Jahren, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs.
- Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren gemäß § 199 Abs. 3a BGB ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder Unkenntnis in 30 Jahren, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs.
Von der Höchstfrist sind auch auf einem Erbfall beruhende Ansprüche betroffen, die regelmäßig wiederkehrende Leistungen – etwa aufgrund eines Vermächtnisses – zum Inhalt haben.
Die Höchstfrist gilt indessen nicht für die zum Nachlass gehörenden Verbindlichkeiten und Forderungen des Erblassers, da sie nicht auf dem Erbfall beruhen. Für diese richtet sich die Verjährung nach dem ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Erblasser und Drittem. Um den Verjährungsablauf während der Zeit bis zur Annahme der Erbschaft, bis zur Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens oder bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die Ansprüche von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden können, zu verhindern, wird der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt. Im Übrigen kann zur gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragt werden, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen ist.
Hinweis:
Die obigen Verjährungshöchstgrenzen gelten nur für Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährung unterliegen. Sie sind z.B. nicht zu verwechseln mit kaufrechtlichen Schadensersatzansprüchen, die der kaufrechtlichen Verjährungsfrist unterliegen.
Spezielle Verjährungsfristen
Spezielle Verjährungsfristen sind zum einen im Verjährungsrecht des Allgemeinen Teils des BGB geregelt, zum anderen sind sie verstreut bei den jeweiligen Rechtsgebieten zu finden.
Im Verjährungsrecht des Allgemeinen Teils des BGB sind folgende besondere Verjährungsfristen niedergelegt:
- 10 Jahre gemäß § 196 BGB: Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts.
- 30 Jahre gemäß § 197 BGB:
- Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen
- Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten
- Rechtskräftig festgestellte Ansprüche
- Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden
- Vollstreckbare Ansprüche aufgrund der Feststellung im Insolvenzverfahren
- Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung
Nach § 197 Abs. 2 BGB tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, soweit die Ansprüche nach Abs. 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben.
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- Wiederkehrende Leistungen, zu denen Unterhaltsforderungen regelmäßig gehören, verlieren jedoch ihren Charakter grundsätzlich nicht dadurch, dass sie in einer Summe ausgeworfen werden. Zur Kapitalisierung künftiger Leistungen, etwa einer Unterhaltsrente, wird insofern allerdings vertreten, dass sich hierdurch der Charakter der Schuld so nachhaltig ändere, dass in aller Regel von einer Novation auszugehen sei.
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Abgrenzung zwischen einer Änderung des Schuldverhältnisses und einer Novation durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben.
- Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Novation nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen. Im Zweifel ist daher eine bloße Änderung des Schuldverhältnisses anzunehmen (BGH 09.07.2014 – XII ZB 719/12).
DAKS e.V., Dr. G. Hitzges
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